Dienstag, 6. Dezember 2022

EU-Medizintechnikverordnung und kein Ende

Aufgrund von Engpässen bei den Zertifizierungsstellen und dem erheblich gestiegenen bürokratischen Aufwand von 25.000 bis Mai 2024 benötigten Medizinprodukte-Zertifikaten sind bislang erst 2.000 MDR-Zertifikate ausgestellt. „Europa droht durch die MDR als Forschungs- und Produktionsstandort weit hinter die USA zurückzufallen, wenn jetzt nicht gehandelt wird“, befürchtet daher BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll. 

Jüngstes Warnzeichen: Das Schweizer Parlament hat am 28. November 2022 beschlossen, künftig auch die FDA-Zulassung von Medizinprodukten anzuerkennen.

„Die Probleme durch und mit der MDR führen mitten in Europa zu der drohenden Gefahr, dass wir Innovationen und die Zukunft der Medizintechnologie importieren – und nicht wie bisher in Europa produzieren, zulassen und exportieren“, so Möll. Sein Appell an die EU-Politik und Gesundheitsminister Lauterbach: „Wir brauchen jetzt Lösungen wie eine Fristverlängerung, die Streichung der Abverkaufsfrist, Zertifikate unter Auflagen und eine ‚Orphan device‘-Regelung. Ansonsten werden Produkte vom Markt verschwinden, Produktneuentwicklungen durch die MDR deutlich verlangsamt und potenzielle Gründer abgeschreckt. Patienten und Ärzte werden Jahre länger auf neue Technologien warten müssen. Das kann keiner wollen.“

Der deutsche Medizintechnik-Verband begrüßt, dass die Probleme mit der Implementierung der MDR durch die Ressourcendefizite bei den Benannten Stellen mittlerweile weit oben auf der EU-Agenda stehen. Dies zeige eine Deutsch-französisch-irische Initiative auf Ministeriumsebene, die Aktivitäten der EU-Kommission und des Koordinierungsgremiums MDCG sowie die Äußerungen der fachlich zuständigen Europaabgeordneten.

Konkret schlägt die Medizintechnik-Branche folgende MDR-Änderungen vor:

  1. Streichung der Abverkaufsfrist;
  2. bedingungslose Verlängerung der Übergangsfrist der MDR über Mai 2024 hinaus;
  3. Ermöglichung von vorläufigen MDR-Zertifikaten unter Auflagen;
  4. Schaffung einer ‚Orphan Device‘-Regelung für Medizinprodukte mit geringer Stückzahl.

„Es ist fünf vor zwölf. Lösungen liegen auf dem Tisch. Jetzt muss entschieden werden. Es darf keine weiteren Verzögerungen geben“, mahnt BVMed-Geschäftsführer Möll. „Wir müssen diese gesetzgeberischen Maßnahmen zügig umsetzen – und gleichzeitig daran arbeiten, die Rolle Europas als attraktive Region für Investitionen in medizintechnische Innovationen zu stärken.“

Zum Hintergrund:

Die EU-Kommission hatte Ende Oktober 2022 unter anderem folgende aktuelle Zahlen zur MDR vorgestellt:

  • Von 80 unter den alten Richtlinien designierten Benannten Stellen haben 62 Stellen MDR-Anträge gestellt, aber es sind erst 34 Benannte Stellen unter der MDR notifiziert.
  • Rund 23.000 Zertifikate müssen noch in die MDR überführt werden. Über 75 Prozent (17.000) dieser Zertifikate laufen im Mai 2024 aus.
  • Bislang – Stand: Oktober 2022 – wurden 8.120 Anträge angenommen und 1.990 MDR-Zertifikate ausgestellt. Im April 2022 waren es 1.069 Zertifikate.
  • Die Bearbeitungszeit liegt bei keinem einzigen MDR-Zertifikat (QMS und Produktprüfung) unter einem Jahr. 82 Prozent der Zertifikate dauern zwischen 13 und 18 Monaten, 18 Prozent zwischen 19 und 24 Monaten.


Die Medizintechnik-Branche bereitet sich seit Jahren intensiv auf die MDR vor. Die Kosten der Umsetzung für die Branche liegen nach Schätzungen zwischen 6 und 12 Milliarden Euro. Die Branche hat massiv investiert, beispielsweise in zusätzliches regulatorisches Personal, und ist bereit. Das MDR-System ist es nicht. Hauptproblem bei der MDR-Implementierung sind die Kapazitätsengpässe bei den Benannten Stellen. Immer häufiger werden Anträge von Herstellern mangels Kapazität abgelehnt. Noch immer sind viele KMU ohne Benannte Stelle.

Hintergrundinformationen sowie Zahlen und Fakten zur MDR unter www.bvmed.de/MDReady

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