Köln | Die Unternehmen der Medizintechnologie müssen verstärkt emotionale und
authentische Geschichten erzählen, wie ihre Produkte und Versorgungslösungen
den Menschen helfen und die Lebensqualität verbessern. Dadurch kann die
Bedeutung der MedTech-Branche für die Gesundheitsversorgung nachhaltiger
vermittelt werden. Das zeigten die Fallstudien der 12.
MedTech-Kommunikationskonferenz "Erfolgsfaktoren für Kommunikationskampagnen"
von MedInform am 21. Juni 2016 in Köln. MedInform ist der Informations- und
Seminarservice des BVMed.
Nach Ansicht der Kommunikationsexperten der Konferenz haben auch technische
Produkte wie Medizintechnologien große Potenziale für emotionale Geschichten,
zumal die Produkte Leben retten, die Lebensqualität der Menschen verbessern und
überraschende Varianten bei der Produktentwicklung und Anwendung bieten. Den
Unternehmen muss dabei klar sein, dass die eigentliche Geschichte der Mensch
ist. Das Produkt ist der "versteckte Held". "Tue Gutes, und lasse andere
darüber reden", brachte es der Storytelling-Experte Tobias Dennehy auf den
Punkt. Zunehmend bedeutsam ist für die MedTech-Unternehmen und die Kliniken
zudem der Aufbau einer starken Unternehmensmarke, um im Kampf um die besten
Talente bestehen zu können.
BVMed-Kommunikationsleiter Manfred Beeres stellte die Entwicklung und die
Ergebnisse der Kampagnen "Der Mensch als Maßstab"
(www.bvmed.de/massstab-mensch)
(https://www.bvmed.de/de/technologien/massstab-mensch) und "Körperstolz"
(www.bvmed.de/koerperstolz)
(https://www.bvmed.de/de/versorgung/patientengeschichten) vor.
"Maßstab Mensch"
will die Bedeutung und die Faszination der Medizintechnologien vermitteln.
Visuelle Leitidee sind Zeichnungen von Organen im Stil von Leonardo da Vinci,
die das Wunder des menschlichen Körpers illustrieren. Darüber sind
Medizinprodukte gelegt, die bei verschiedenen Krankheitsbildern technische
Unterstützung geben. Die Kampagne stärkte bei den Entscheidern die Wahrnehmung
der Branche als innovativ und faszinierend. Die Körperstolz-Kampagne geht einen
emotionalen Schritt weiter und erzählt die Geschichte von chronisch kranken
Menschen, die durch die Unterstützung von Medizinprodukten mitten im Leben
stehen. Bei den außergewöhnlichen Persönlichkeiten geht es dabei um
Tabuthemen wie Inkontinenz, Stoma, künstliche Ernährung, Dialyse oder
Tracheostoma. Wichtig ist nach Ansicht von Beeres, die authentische Geschichte
der Menschen zu erzählen. Das Produkt steht nicht im Vordergrund, sondern die
Frage: Welche konkreten Vorteile hat das Produkt für den Patienten? Der
unterstützende Einsatz von Videos und die frühe Einbindung von
Selbsthilfegruppen sorgen für eine weite Verbreitung der Patientengeschichten
in den sozialen Netzwerken.
Marketingleiter René Heilmann von Freudenberg Medical Europe schilderte das
Re-Branding und den Aufbau einer Unternehmensmarke mit dem Slogan "Freudenberg -
Innovating Together". Die Herausforderung bestand darin, die in den letzten
Jahren übernommenen Unternehmen unter einem Dach zu vereinigen und die Marke
strategisch neu auszurichten. Dafür wurde im Vorfeld eine eingehende Evaluation
durch Kundenbefragungen durchgeführt. Für den dann durchlebten
Veränderungsprozess "war Kommunikation der Schlüssel". Dabei halfen
Markenbotschafter, die für die lokale Einbindung der verschiedenen Standorte
sorgten. Wichtig sei auch die Unterstützung durch die höchste Ebene der
Unternehmensleitung. Als weitere Erfolgsfaktoren bezeichnete Heilmann
realistische Zeitpläne und Budgets, gute Datengrundlagen für die
Positionierung des Unternehmens und ein stringentes Corporate Design. Beim
Vermitteln des Mehrwerts der neuen Marke müssten zudem "Kopf und Herz"
angesprochen werden. Bei weiteren Unternehmensübernahmen ist es von großer
Bedeutung, frühzeitig eine Markenpolitik festzulegen, so der Marketingexperte.
Den Weg von der großen Markengeschichte, den Fokusthemen eines Unternehmens und
den tatsächlichen Geschichten, die es zu erzählen hat, bis hin zu deren
redaktioneller Planung, beleuchtete Blogger und Berater Tobias Dennehy, der sich
selbst als "Corporate Story Architect" bezeichnet. Er verantwortete bis 2014 das
digitale Storytelling bei Siemens. Das unternehmerische Storytelling müsse auf
"genauer Planung und einem langfristigen Aufbau" basieren. "Das Fundament der
einzelnen Storys ist die große Markengeschichte", so Dennehy. Deshalb gelte es
am Anfang des Storytellings herauszufinden, wofür das Unternehmen stehe. Das
sei dann das Fundament für Geschichten. Das Unternehmen müsse thematisch
passende Anlässe suchen, durch die man mit Hilfe einer redaktionellen Planung
auf sich aufmerksam macht – "je überraschender, desto besser". Der
Storytelling-Hype beruhe darauf, "dass viele merken, dass die faktenorientierte
Kommunikation, bei der es maßgeblich darauf ankommt, auch ja alle Features
eines Produkts zu nennen, nicht mehr räsoniert". Nur Menschen könnten anderen
Menschen Produkte näher bringen. Das Produkt sei für jede Story dennoch ein
unglaublich wichtiges Element, "ein versteckter Held", sagt Dennehy. Wichtig
sei, dass die Geschichten und ihre Protagonisten echt sind und man mit den
Menschen "vor und hinter der Kamera" in Kontakt treten kann, beispielsweise
über Soziale Netzwerke. Dennehy betonte zudem abschließend, dass in Zukunft
kommunikativ nur das Unternehmen überleben wird, das nicht nur die
glaubwürdigsten Geschichten erzählt, sondern auch lernt, diese und sich selbst
loszulassen. Co-Creation nennt er das - kein neues Konzept, aber ein immer
wichtigeres, wenn man Teil einer echten Konversation werden und bleiben will.
Das gelte für die MedTech-Branche ebenso wie für jede andere.
Danika Ziegener, Produktmanagerin bei Sysmex Europe, stellte "Ärzte- und
Patientenkommunikation Hand in Hand" am Beispiel der Chemotherapie mit
Kopfhautkühlung dar. Durch das Verfahren könne der Haarverlust bei
Krebspatienten vermieden werden. Die Kopfhautkühlung über eine "Kühlklappe"
sei wichtig für die Patienten; es handele sich aber bei "Chemotherapie und
Glatze" um ein Tabuthema. Der Sysmex-Ansatz lautet: "Patienten werden zum
Sprachrohr!" Das Unternehmen arbeitet dabei mit Patientenorganisationen
zusammen, um die Anwender sprechen zu lassen, und setzt auf eine ehrliche
Darstellung der Behandlungsergebnisse, beispielsweise bei Bildern von Anwendern,
um keine falschen Erwartungen zu wecken.
Kommunikationsdirektorin Anja Gasteiger, Online Marketing-Manager Fabian Jacobi
und Presse- und Öffentlichkeits-Referentin Sabrina Klein vom
Medizinprodukte-Hersteller Lohmann & Rauscher stellten die digitale
Kommunikationsstrategie des international tätigen Medizinprodukte-Unternehmens
vor. Startschuss der neuen, digitalen Kommunikation war der Web-Relaunch 2012.
Die neue Strategie wurde bis 2014 internationalisiert. Zu den Anwendungsfeldern
der digitalen Kommunikation im Unternehmen gehören die Bereiche
Vertriebsunterstützung, Personalentwicklung und Arbeitgebermarke sowie
Unternehmenskommunikation mit der Nutzung von Social Media. Bei der Social
Media-Strategie setzt das Unternehmen vor allem auf Facebook. Zu den
redaktionellen Rahmenbedingungen gehören eine gemeinsame Netiquette für
Facebook, Redaktionspläne, Jour-fixe und das 4-Augen-Prinzip. Als nächste
Schritte stehen eine Social Media-Guideline und der freie Zugriff der
Mitarbeiter auf die Social Media-Kanäle an.
Kay Rohnke, verantwortlich für Abbott Vascular Deutschland, schilderte den
Umgang des Unternehmens mit digitalen Medien in Kombination mit dem klassischen
Vertrieb. Als Fallbeispiel für eine Innovationskommunikation präsentierte er
die Kampagne für den MitraClip zur Behandlung der Insuffizienz einer
Mitralklappe. Im März 2015 startete das Unternehmen eine
Patienteninformationsseite (www.herzklappenhilfe.de)
(http://www.herzklappenhilfe.de), die mittlerweile über 180.000 Besucher
verzeichnete. Mit Hilfe eines Infocenters im Ärzteportal Coliquio wurden 5.000
Ärzte erreicht. Hauptzielgruppe waren dabei Allgemeinärzte. Für Ärzte bietet
das Unternehmen zudem auf einer eigenen, geschützten Therapieseite zahlreiche
Webcasts und themenspezifische Newsletter an.
Der Marketingleiter des Hörgeräte-Unternehmens Phonak, Steffen Kohl, stellte
die digitalen Kanäle als festen Bestandteil der Kommunikationsstrategie vor.
Das digitale Marketing bei Phonak ist sehr langfristig angelegt. Kohls Motto:
"Digitales Marketing ist Denkweise, nicht Plattform". Ein wesentliches Standbein
sind die elektronischen Newsletter, die Produktwissen vermitteln, zu Roadshows
einladen oder Informationen zu Heil- und Hilfsmittelnummern geben. Der
Newsletter erscheint maximal einmal in der Woche. Ein weiteres Standbein ist der
eCommerce-Bereich mit einem Online-Katalog, einer Bestellübersicht oder
Garantie- und Reparatur-Informationen. Anlassbezogen gibt es eCommerce-Specials,
beispielsweise ein Tipp-Spiel zur Fußball-EM. Wichtig seien "fokussierte
Kontaktpunkte", um sich beim Kunden immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, so
Kohl. Mit "Phonak Vendo" gebe es zudem ein Portal für individuelle Werbung für
die Hörgeräte-Akustiker. Auf den Social Media-Kanälen suche Phonak statt
Einbahnstraßen-Kommunikation den interaktiven Dialog. Die Kommunikation des
Unternehmens müsse hier schnell und authentisch sein, wobei "Emotionen immer
vor Fakten und die Information vor der Werbung kommen", so der Marketingexperte.
Wie muss sich ein Krankenhaus im digitalen Zeitalter als Marke darstellen?
Darauf ging Dr. Jörg Kunz, Leiter Marketing und Öffentlichkeitsarbeit im
Krankenhausverbund Barmherzige Brüder Bayern, ein. Krankenhäuser sind an sich
starke Marken. Krankenhaus-Marketing richtet sich auf Patienten und Angehörige,
das eigene und zukünftige Personal sowie auf Zuweiser. Die Hauptaufgabe für
das Krankenhaus-Marketing sei dabei das "Employer Branding", also der Aufbau
einer starken Arbeitgebermarke. Dafür wurden in den letzten Monaten die
Internetseite modernisiert, ein Verbund-Webportal aufgebaut, Facebook und
Youtube verstärkt genutzt sowie Karriere-Portale für Berufsfachschüler auf
XING und Kununu geplant. Facebook sei dabei für die Personalakquise im
Pflegebereich eine kostengünstige Ergänzung, "eventuell sogar eine Alternative
mit sehr hoher Reichweite und geringen Streuverlusten", so Kunz. Sein Fazit:
"Die analoge Kommunikation behält – zumindest vorübergehend – ihren
Stellenwert. Die Bedeutung der Digitalisierung in der Medizin und in der
Kommunikation der Medizin nimmt aber zu."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen