Freitag, 24. Juni 2016

MedTech-Kommunikationskonferenz: "Tue Gutes, und lass andere darüber reden"

Köln | Die Unternehmen der Medizintechnologie müssen verstärkt emotionale und authentische Geschichten erzählen, wie ihre Produkte und Versorgungslösungen den Menschen helfen und die Lebensqualität verbessern. Dadurch kann die Bedeutung der MedTech-Branche für die Gesundheitsversorgung nachhaltiger vermittelt werden. Das zeigten die Fallstudien der 12. MedTech-Kommunikationskonferenz "Erfolgsfaktoren für Kommunikationskampagnen" von MedInform am 21. Juni 2016 in Köln. MedInform ist der Informations- und Seminarservice des BVMed.

Nach Ansicht der Kommunikationsexperten der Konferenz haben auch technische Produkte wie Medizintechnologien große Potenziale für emotionale Geschichten, zumal die Produkte Leben retten, die Lebensqualität der Menschen verbessern und überraschende Varianten bei der Produktentwicklung und Anwendung bieten. Den Unternehmen muss dabei klar sein, dass die eigentliche Geschichte der Mensch ist. Das Produkt ist der "versteckte Held". "Tue Gutes, und lasse andere darüber reden", brachte es der Storytelling-Experte Tobias Dennehy auf den Punkt. Zunehmend bedeutsam ist für die MedTech-Unternehmen und die Kliniken zudem der Aufbau einer starken Unternehmensmarke, um im Kampf um die besten Talente bestehen zu können. 


BVMed-Kommunikationsleiter Manfred Beeres stellte die Entwicklung und die Ergebnisse der Kampagnen "Der Mensch als Maßstab" (www.bvmed.de/massstab-mensch) (https://www.bvmed.de/de/technologien/massstab-mensch) und "Körperstolz" (www.bvmed.de/koerperstolz) (https://www.bvmed.de/de/versorgung/patientengeschichten) vor.

"Maßstab Mensch" will die Bedeutung und die Faszination der Medizintechnologien vermitteln. Visuelle Leitidee sind Zeichnungen von Organen im Stil von Leonardo da Vinci, die das Wunder des menschlichen Körpers illustrieren. Darüber sind Medizinprodukte gelegt, die bei verschiedenen Krankheitsbildern technische Unterstützung geben. Die Kampagne stärkte bei den Entscheidern die Wahrnehmung der Branche als innovativ und faszinierend. Die Körperstolz-Kampagne geht einen emotionalen Schritt weiter und erzählt die Geschichte von chronisch kranken Menschen, die durch die Unterstützung von Medizinprodukten mitten im Leben stehen. Bei den außergewöhnlichen Persönlichkeiten geht es dabei um Tabuthemen wie Inkontinenz, Stoma, künstliche Ernährung, Dialyse oder Tracheostoma. Wichtig ist nach Ansicht von Beeres, die authentische Geschichte der Menschen zu erzählen. Das Produkt steht nicht im Vordergrund, sondern die Frage: Welche konkreten Vorteile hat das Produkt für den Patienten? Der unterstützende Einsatz von Videos und die frühe Einbindung von Selbsthilfegruppen sorgen für eine weite Verbreitung der Patientengeschichten in den sozialen Netzwerken.

Marketingleiter René Heilmann von Freudenberg Medical Europe schilderte das Re-Branding und den Aufbau einer Unternehmensmarke mit dem Slogan "Freudenberg - Innovating Together". Die Herausforderung bestand darin, die in den letzten Jahren übernommenen Unternehmen unter einem Dach zu vereinigen und die Marke strategisch neu auszurichten. Dafür wurde im Vorfeld eine eingehende Evaluation durch Kundenbefragungen durchgeführt. Für den dann durchlebten Veränderungsprozess "war Kommunikation der Schlüssel". Dabei halfen Markenbotschafter, die für die lokale Einbindung der verschiedenen Standorte sorgten. Wichtig sei auch die Unterstützung durch die höchste Ebene der Unternehmensleitung. Als weitere Erfolgsfaktoren bezeichnete Heilmann realistische Zeitpläne und Budgets, gute Datengrundlagen für die Positionierung des Unternehmens und ein stringentes Corporate Design. Beim Vermitteln des Mehrwerts der neuen Marke müssten zudem "Kopf und Herz" angesprochen werden. Bei weiteren Unternehmensübernahmen ist es von großer Bedeutung, frühzeitig eine Markenpolitik festzulegen, so der Marketingexperte.

Den Weg von der großen Markengeschichte, den Fokusthemen eines Unternehmens und den tatsächlichen Geschichten, die es zu erzählen hat, bis hin zu deren redaktioneller Planung, beleuchtete Blogger und Berater Tobias Dennehy, der sich selbst als "Corporate Story Architect" bezeichnet. Er verantwortete bis 2014 das digitale Storytelling bei Siemens. Das unternehmerische Storytelling müsse auf "genauer Planung und einem langfristigen Aufbau" basieren. "Das Fundament der einzelnen Storys ist die große Markengeschichte", so Dennehy. Deshalb gelte es am Anfang des Storytellings herauszufinden, wofür das Unternehmen stehe. Das sei dann das Fundament für Geschichten. Das Unternehmen müsse thematisch passende Anlässe suchen, durch die man mit Hilfe einer redaktionellen Planung auf sich aufmerksam macht – "je überraschender, desto besser". Der Storytelling-Hype beruhe darauf, "dass viele merken, dass die faktenorientierte Kommunikation, bei der es maßgeblich darauf ankommt, auch ja alle Features eines Produkts zu nennen, nicht mehr räsoniert". Nur Menschen könnten anderen Menschen Produkte näher bringen. Das Produkt sei für jede Story dennoch ein unglaublich wichtiges Element, "ein versteckter Held", sagt Dennehy. Wichtig sei, dass die Geschichten und ihre Protagonisten echt sind und man mit den Menschen "vor und hinter der Kamera" in Kontakt treten kann, beispielsweise über Soziale Netzwerke. Dennehy betonte zudem abschließend, dass in Zukunft kommunikativ nur das Unternehmen überleben wird, das nicht nur die glaubwürdigsten Geschichten erzählt, sondern auch lernt, diese und sich selbst loszulassen. Co-Creation nennt er das - kein neues Konzept, aber ein immer wichtigeres, wenn man Teil einer echten Konversation werden und bleiben will. Das gelte für die MedTech-Branche ebenso wie für jede andere.

Danika Ziegener, Produktmanagerin bei Sysmex Europe, stellte "Ärzte- und Patientenkommunikation Hand in Hand" am Beispiel der Chemotherapie mit Kopfhautkühlung dar. Durch das Verfahren könne der Haarverlust bei Krebspatienten vermieden werden. Die Kopfhautkühlung über eine "Kühlklappe" sei wichtig für die Patienten; es handele sich aber bei "Chemotherapie und Glatze" um ein Tabuthema. Der Sysmex-Ansatz lautet: "Patienten werden zum Sprachrohr!" Das Unternehmen arbeitet dabei mit Patientenorganisationen zusammen, um die Anwender sprechen zu lassen, und setzt auf eine ehrliche Darstellung der Behandlungsergebnisse, beispielsweise bei Bildern von Anwendern, um keine falschen Erwartungen zu wecken.

Kommunikationsdirektorin Anja Gasteiger, Online Marketing-Manager Fabian Jacobi und Presse- und Öffentlichkeits-Referentin Sabrina Klein vom Medizinprodukte-Hersteller Lohmann & Rauscher stellten die digitale Kommunikationsstrategie des international tätigen Medizinprodukte-Unternehmens vor. Startschuss der neuen, digitalen Kommunikation war der Web-Relaunch 2012. Die neue Strategie wurde bis 2014 internationalisiert. Zu den Anwendungsfeldern der digitalen Kommunikation im Unternehmen gehören die Bereiche Vertriebsunterstützung, Personalentwicklung und Arbeitgebermarke sowie Unternehmenskommunikation mit der Nutzung von Social Media. Bei der Social Media-Strategie setzt das Unternehmen vor allem auf Facebook. Zu den redaktionellen Rahmenbedingungen gehören eine gemeinsame Netiquette für Facebook, Redaktionspläne, Jour-fixe und das 4-Augen-Prinzip. Als nächste Schritte stehen eine Social Media-Guideline und der freie Zugriff der Mitarbeiter auf die Social Media-Kanäle an.

Kay Rohnke, verantwortlich für Abbott Vascular Deutschland, schilderte den Umgang des Unternehmens mit digitalen Medien in Kombination mit dem klassischen Vertrieb. Als Fallbeispiel für eine Innovationskommunikation präsentierte er die Kampagne für den MitraClip zur Behandlung der Insuffizienz einer Mitralklappe. Im März 2015 startete das Unternehmen eine Patienteninformationsseite (www.herzklappenhilfe.de) (http://www.herzklappenhilfe.de), die mittlerweile über 180.000 Besucher verzeichnete. Mit Hilfe eines Infocenters im Ärzteportal Coliquio wurden 5.000 Ärzte erreicht. Hauptzielgruppe waren dabei Allgemeinärzte. Für Ärzte bietet das Unternehmen zudem auf einer eigenen, geschützten Therapieseite zahlreiche Webcasts und themenspezifische Newsletter an.

 Der Marketingleiter des Hörgeräte-Unternehmens Phonak, Steffen Kohl, stellte die digitalen Kanäle als festen Bestandteil der Kommunikationsstrategie vor. Das digitale Marketing bei Phonak ist sehr langfristig angelegt. Kohls Motto: "Digitales Marketing ist Denkweise, nicht Plattform". Ein wesentliches Standbein sind die elektronischen Newsletter, die Produktwissen vermitteln, zu Roadshows einladen oder Informationen zu Heil- und Hilfsmittelnummern geben. Der Newsletter erscheint maximal einmal in der Woche. Ein weiteres Standbein ist der eCommerce-Bereich mit einem Online-Katalog, einer Bestellübersicht oder Garantie- und Reparatur-Informationen. Anlassbezogen gibt es eCommerce-Specials, beispielsweise ein Tipp-Spiel zur Fußball-EM. Wichtig seien "fokussierte Kontaktpunkte", um sich beim Kunden immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, so Kohl. Mit "Phonak Vendo" gebe es zudem ein Portal für individuelle Werbung für die Hörgeräte-Akustiker. Auf den Social Media-Kanälen suche Phonak statt Einbahnstraßen-Kommunikation den interaktiven Dialog. Die Kommunikation des Unternehmens müsse hier schnell und authentisch sein, wobei "Emotionen immer vor Fakten und die Information vor der Werbung kommen", so der Marketingexperte.

Wie muss sich ein Krankenhaus im digitalen Zeitalter als Marke darstellen? Darauf ging Dr. Jörg Kunz, Leiter Marketing und Öffentlichkeitsarbeit im Krankenhausverbund Barmherzige Brüder Bayern, ein. Krankenhäuser sind an sich starke Marken. Krankenhaus-Marketing richtet sich auf Patienten und Angehörige, das eigene und zukünftige Personal sowie auf Zuweiser. Die Hauptaufgabe für das Krankenhaus-Marketing sei dabei das "Employer Branding", also der Aufbau einer starken Arbeitgebermarke. Dafür wurden in den letzten Monaten die Internetseite modernisiert, ein Verbund-Webportal aufgebaut, Facebook und Youtube verstärkt genutzt sowie Karriere-Portale für Berufsfachschüler auf XING und Kununu geplant. Facebook sei dabei für die Personalakquise im Pflegebereich eine kostengünstige Ergänzung, "eventuell sogar eine Alternative mit sehr hoher Reichweite und geringen Streuverlusten", so Kunz. Sein Fazit: "Die analoge Kommunikation behält – zumindest vorübergehend – ihren Stellenwert. Die Bedeutung der Digitalisierung in der Medizin und in der Kommunikation der Medizin nimmt aber zu."

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