Mittwoch, 19. Juni 2024

Medizinprodukte-Anhörung im Bundestag: „Berlin muss in Brüssel aktiv werden“

Berlin | Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) erwartet von der Bundesregierung eine aktive Rolle im Europäischen Rat und gegenüber der EU-Kommission zur Verbesserung der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR). Die Defizite der MDR hätten dazu geführt, „dass MedTech-Innovationen immer unattraktiver werden und somit die Versorgung der Patient:innen in Europa gefährdet ist“, sagte die stellvertretende BVMed-Geschäftsführerin Dr. Christina Ziegenberg in der Anhörung des Antrags „Versorgung mit Medizinprodukten sicherstellen“ bereits am 5. Juni 2024 im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Als größter Mitgliedsstaat mit einer breiten Basis an mittelständischen MedTech-Unternehmen müsse die Bundesregierung darauf drängen, dass die neue EU-Kommission noch in diesem Jahr konkrete Lösungsvorschläge vorlegt. Die BVMed-Stellungnahme zur Anhörung kann unter www.bvmed.de/positionen abgerufen werden.

Der BVMed begrüßt in seiner Stellungnahme, dass sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages mit der Versorgung mit Medizinprodukten befasst, um Lösungen für die aktuellen Probleme durch die MDR zu diskutieren. Dabei gehe es insbesondere darum, dass bewährte Bestandsprodukte dem europäischen Markt und damit in der Versorgung von Patient:innen verloren gehen. „Dies resultiert im Wesentlichen aus einem hohen Bürokratieaufwand, mangelnder Effizienz und Harmonisierung, einer fehlenden zentralen rechenschaftspflichtigen Aufsicht sowie aufgrund des Fehlens eines beschleunigten Verfahrens für Innovationen und Regelungen für Produkte mit kleinem Anwendungsbereich“, analysiert der deutsche MedTech-Verband. Der BVMed schlägt – in Anlehnung an das von BVMed und VDGH vorgelegte MDR/IVDR-Whitepaper (www.bvmed.de/whitepaper) – fünf konkrete Maßnahmen vor:

1. Effizienzsteigerung
Der Übergang von den vorherigen Richtlinien zur MDR verläuft nach wie vor schleppend. Aktuelle Zahlen zeigen, dass noch nicht einmal ein Drittel aller nötigen Zertifikate in die MDR überführt wurden. Mittlerweile sind bei den Benannten Stellen ausreichend personelle Kapazitäten vorhanden. Nun müssen sie effizienter eingesetzt werden. Dazu gehört die Abschaffung bürokratischer Überregulierung, beispielsweise durch die Vermeidung von redundanten Prüfungen und die Einführung digitaler Lösungen.

2. Reform des 5-jährigen Re-Zertifizierungszyklus
Der Lebenszyklus-Ansatz der MDR erhöht die Sicherheit durch kontinuierliche Überwachung in jährlichen Audits und Aktualisierung sowie Überprüfung aller relevanten Inhalte und der Nutzen-Risko-Abwägung. Verschiedene Pflichtberichte werden durch die Benannten Stellen engmaschig überwacht. Die Re-Zertifizierung alle 5 Jahre beinhaltet daher keine neuen Prüfinhalte und kann vor diesem Hintergrund für alle Produktklassen abgeschafft werden – zumal Benannte Stellen jederzeit die Möglichkeit haben, ein Zertifikat zurückzuziehen.

3. Ergänzung des derzeitigen Regulierungssystems
In vielen Rechtssystemen existieren Fast-Track-Verfahren (beschleunigte Verfahren) für innovative Produkte sowie Spezialverfahren für sogenannte Orphan Devices und/oder für Nischenprodukte mit nachgewiesener Erfolgsbilanz, bei denen das Standardverfahren für die Konformitätsbewertung aufgrund mangelnder klinischer Nachweise nicht durchführbar ist. Solche Regelungen müssen auch im MDR-System geschaffen werden.

4. Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit
Das europäische System mit der CE-Kennzeichnung hat durch die MDR und die damit einhergehenden Probleme massiv an Reputation verloren. Die exportstarke Industrie steht deswegen vor erheblichen Herausforderungen und Zusatzaufwänden. Wir brauchen eine verstärkte Einbindung der EU in das MDSAP-Programm für Qualitäts-Management-Systeme und spezifische gegenseitige Anerkennungen (MRA) ein.

5. Zentralisierung
Im jetzigen System gibt es unterschiedliche Verantwortlichkeiten für Produkte, Zertifizierungsverfahren, Benannte Stellen oder die Erstellung von Leitlinien. Die Einrichtung einer zentralen, rechenschaftspflichtigen und verantwortlichen Verwaltungsstruktur für Medizinprodukte mit Entscheidungsfähigkeit auf Systemebene hätte bedeutende Vorteile gegenüber dem derzeitigen System der MDR. Insbesondere in Verbindung mit einer konsequenten Anwendung der Grundsätze guter Verwaltungspraxis.

„Wir müssen gemeinsam mit allen Beteiligten die Patient:innen-Versorgung sicherstellen und Europa wieder zu einem wettbewerbsfähigen MedTech-Standort machen. Wir müssen überzogene Strukturen aufbrechen und gute regulatorische Rahmenbedingungen schaffen“, so BVMed-Expertin Dr. Christina Ziegenberg.
 

 

Der BVMed repräsentiert mehr als 300 Hersteller und Zulieferer der Medizintechnik-Branche, Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger sowie den medizinischen Fach- und Großhandel. Die MedTech-Branche (Hersteller inkl. Kleinstunternehmen) beschäftigt in Deutschland insgesamt rund 265.000 Menschen und erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von 55 Mrd. Euro. Nach der Wirtschaftsstatistik gibt es 1.480 MedTech-Hersteller mit mehr als 20 Beschäftigten, die über 161.000 Mitarbeiter und einen Gesamtumsatz von über 40 Milliarden Euro haben. 68 Prozent des MedTech-Umsatzes werden im Export erzielt. Rund 9 Prozent des Umsatzes werden in Forschung und Entwicklung investiert. 93 Prozent dieser Unternehmen sind KMU. Der BVMed ist die Stimme der deutschen MedTech-Branche und vor allem des MedTech-Mittelstandes.

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